mein hvv switch Punkt
Lesedauer 3 Min.Am Berliner Tor mit Jon Flemming
Jeder hvv switch Punkt ist eine Geschichte für sich - und eine Einladung, ein Zeichen zu setzen. Mehr als 180 hvv switch Punkte in Hamburg bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, von A nach B zu kommen. Wir stellen euch spannende Menschen aus Hamburg vor - auf ihren Wegen durch die Stadt. Diesmal treffen wir Musiker und Schauspieler Jon Flemming.
Auf dem Bordstein neben dem hvv switch Punkt Berliner Tor sitzen zwei Männer, halten ihre Gesichter in die Sonne und beschallen den Platz mit einem Mix aus Schlagern und Deutsch-Rap. Zwischen vorbeilaufenden Passanten stellt sich Jon Flemming Olsen für den Fotografen in Pose. „Was macht der, dass er so fotografiert wird“, wollen die Männer mit der Musik wissen. Eine knappe Antwort auf diese Frage? Eher schwierig.
Denn Jon Flemming Olsen macht ziemlich viel. Und all das auch noch ziemlich gut. Auf seiner Web-site stellt er sich als Musiker, Komponist, Sänger, Schauspieler, Moderator und Grafiker vor. Deutschlandweit berühmt geworden ist der 59-Jährige durch die preisgekrönte Kult-Serie Dittsche. Hier spielte er über 18 Jahre lang den Imbisswirt Ingo. Flemming ist außerdem Gründer der Country-Gruppe Texas Lightning. Mit dem Song „No No Never”, der heute noch im Radio rauf und runter ge-spielt wird, war er 2006 für Deutschland beim Eurovision Song Contest am Start. Seine kreativen Arbeiten kennt man unterdessen, ohne zu wissen, dass sie von ihm sind: Er hat zahlreiche CD-Cover entworfen, unter anderem für Udo Lindenberg, Echt, Selig und Annett Louisan. Seit einigen Jahren ist Jon Flemming als Solokünstler auf deutschen Bühnen unterwegs.
Als die Bilder gemacht sind, geht es zum Gespräch in die angrenzende Bäckerei-Filiale. Zwar kein Grillimbiss – aber immerhin gibt es Stehtische.
Auf deiner Website stehen relativ viele Berufsbezeichnungen. Als was fühlst du dich am meisten?
Ich nehme gerade mein drittes Album auf, also wohl als Musiker aktuell.
Dafür hast du im März eine Crowdfunding-Kampagne abgeschlossen?
Genau. Es ist das dritte von vier Soloalben, das ich mit Hilfe eines kleinen Hamburger Labels und Crowdfunding in Eigenregie auf die Beine stelle. Das Crowdfunding kann ich für mich also schon als guten Brauch in meinem Musikerdasein bezeichnen.
Warum gerade Crowdfunding?
Weil ich etwas produziere, was unverkäuflich geworden ist: Musik ist heute eigentlich eine kostenlose Dreingabe, die einem hinterhergeworfen wird. Crowdfunding ist ein guter Weg, um Musik zu produzie-ren, ohne sich selbst komplett zu verschulden.
Sind das dann in jeder Runde die gleichen Leute, die dich unterstützen?
Es sind Wiederholungstäter*innen dabei, aber Gott sei Dank auch immer neue Leute. So ein Crowd-funding ist auch jedes Mal ein kleines Abenteuer, weil es unter uns gesagt wahnsinnig peinlich wäre, wenn sowas in der Öffentlichkeit stehend nicht funktionieren würde. Das möchte man natürlich nicht erleben.
Warum wolltest du dich hier treffen, am hvv switch Punkt Berliner Tor?
Es gibt keinen Ort in der Stadt, an dem ich öfter zwischen Verkehrsmitteln switche – also ist das mein hvv switch Punkt. Carsharing nutze ich dabei am seltensten: Wenn ich in mein Studio fahre, das liegt etwa eineinhalb Kilometer entfernt von hier, und nichts zu transportieren habe, komme ich mit der U-Bahn hier an und nehme dann einen E-Scooter oder auch mal ein Fahrrad. Dann habe ich keine Prob-leme mit dem Berufsverkehr – ein entscheidender Vorteil. Carsharing mache ich hier auch manchmal, aber wenn es irgendwie geht, fahre ich kein Auto. Die Angst, keinen Parkplatz zu finden, fährt ja qua-si immer mit. Ein Auto besitze ich aber trotzdem.
Klingt erstmal nicht logisch…?
Ich bin zwar nur Liedermacher, aber dennoch meistens mit erschütternd vielen Instrumenten unter-wegs, die wirklich nicht mal ansatzweise zu tragen wären. Ohne Auto also keine Musik. Trotzdem bin ich kein Autofan. Liegt vielleicht an meiner Kindheit.
Das musst du uns bitte erklären.
Ich bin in Winterhude aufgewachsen, und wir waren damals so ziemlich die einzige Familie, die kein Auto besaß. Mein Vater hatte irgendwie verpasst, einen Führerschein zu machen und über die Jahre eine Art Auto-Trauma entwickelt. Will heißen: Alles, was mit Autofahren zu tun hatte, war für ihn ein rotes Tuch, aber auch für uns Kinder. Bei jeder Autofahrt, die länger als eine Stunde dauerte, musste sich mindestens eines von uns übergeben.Das Trauma meines Vaters war aber zusätzlich durch ein dem Zeitgeist durchaus vorauseilendes Umweltbewusstsein unterfüttert. Wir fuhren also auch keine Auto, weil das eben nicht gut für die Umwelt war. Deswegen sind wir als Familie ganz viel Bahn und öffentliche Verkehrsmittel gefahren.
Du hast trotzdem einen Führerschein gemacht?
Ja. Das Kuriose war damals, dass die Tatsache, dass meine Schwester und ich uns hinters Steuer wagten, meinen Vater dazu bewog, sein Trauma zu besiegen. Er hat dann also zeitgleich auch einen Führerschein gemacht – mit der vermutlich höchsten Fahrstundenanzahl seit 300 Jahren. Aber er hat es geschafft und ist dann noch auf seine mittelalten Tage zu einem sehr guten und begeisterten Au-tofahrer geworden.
Viele kennen dich aus der Kultserie Dittsche, wo du als Ingo hinter der Imbisstheke stehst und mit Olli Dittrich plauderst. Nach 18 Jahren und 23 Staffeln wurde sie eingestellt. Wie war das für dich?
Sehr sehr schade und traurig natürlich. Der WDR hatte eigentlich schon länger kein wirklich großes Interesse mehr daran, das Format fortzusetzen.
Warum?
Man hatte dort offensichtlich mit großer Verspätung gemerkt, dass das, was wir da machten, mit Nordrhein-Westfalen gar nicht so viel zu tun hat – was man dann nicht so gut fand. Besonders scha-de war, dass wir nicht wussten, dass unsere letzte Sendung unsere letzte Sendung sein würde. Das war vielleicht die größte Enttäuschung, dass man sich nach so einer langen Zeit nicht wirklich verabschieden konnte.
Du bist in diesen 18 Jahren ja irgendwie auch zum Imbiss-Experten geworden…
…wie? Ne! Also, ehrlich gesagt, während der Sendung habe ich leider gar nichts verkauft. Nur in der ersten Staffel hatten wir tatsächlich die Fritteuse an beim Drehen. Ich durfte dann während der Sendung Pommes anfertigen – was mir immer eine große Freude war: Das Pommes-Machen ist eine sehr überschaubare Aufgabe und gelingt auch dem Anfänger gut.
Trotzdem hat man dir die Fritteuse in der zweiten Staffel abgestellt?
Die Tontechnik beschwerte sich nach einer Weile, weil das natürlich immer ein Geräusch macht: Die Fritteuse ist untrennbar gekoppelt an die Lüftungsanlage. Da sind die nicht so richtig glücklich mit geworden.
Eigentlich wollte ich wissen: Wo gibt es die beste Wurst der Stadt? Du hast schließlich ein Buch über Imbisse geschrieben: Der Fritten Humboldt – Meine Reise ins Herz der Imbissbude! Aber vielleicht hätte ich besser nach Pommes gefragt?
Ja, 2009 habe ich eine Deutschland-Imbissreise gemacht für mein Buch und zwangsweise habe ich da auch diverse Würste essen müssen, als Beiwerk sozusagen. Das klingt jetzt negativ, aber ich bin eigentlich ein großer Freund der Wurst. Und die Königin der Würste im deutschen Sprachraum, das ist für mich die Thüringer Rostbratwurst.
Und wo gibt es die beste der Stadt?
Das weiß ich tatsächlich nicht. Wichtig ist aber: Die Thüringer muss vom Rost kommen. Die meisten Imbisse in Hamburg erwärmen sie auf einer Edelstahlplatte. Der Thüringer würde weinen, wenn er das sehen würde!
Kommen wir mal weg vom Imbiss: Welche Orte in Hamburg magst du denn besonders?
Der Stadtpark ist mir nahe, weil wir um die Ecke wohnten und ich da schon als kleiner Junge auf der großen Wiese Fußball gespielt habe – oder vor dem Planetarium. Von dessen Balkon aus konnte ich Papierflieger in den Park werfen. Und dann der Elbstrand. Ich fürchte, meine Lieblingsorte sind alle Orte, die sehr generisch klingen.
Du gibst selbst oft Konzerte – in diesem Jahr zum Beispiel noch im Schloss Reinbek. Welches ist deine liebste Bühne in Hamburg?
Die Bühne im Stadtpark ist natürlich toll. Das einzige, was daran nicht toll ist, ist dieser gemauerte Bühnenboden. Der ist betonhart – ein krasser Unterschied zu einem normalen Bühnenboden. Das geht unglaublich in die Füße. Das ist im Schmidtchen besser – eine weitere, wirklich besondere Büh-ne. Dort habe ich schon ein paar Mal gespielt, und dort werde ich auch in diesem Jahr wieder spielen. Die Atmosphäre dort ist einfach gut.